Wulffs fiktive Weihnachtsansprache "Das ist gelebtes Vertrauen"

Was wird Bundespräsident Wulff den Deutschen zum Fest sagen? Wird er in seiner Weihnachtsansprache auf seine ganz persönliche Kreditklemme eingehen? Oder sich mit warmen Worten aus der Affäre ziehen? Stefan Kuzmany hat eine Rede entworfen, die das Staatsoberhaupt halten könnte.
Bundespräsident Christian Wulff: Frohe Botschaft aus Schloss Bellevue

Bundespräsident Christian Wulff: Frohe Botschaft aus Schloss Bellevue

Foto: dapd

"Fröhliche Weihnachten, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

In diesen festlichen Tagen nehmen wir uns wieder Zeit für Menschen, die uns wichtig sind.

Wir spüren: Wir gehören zusammen. Wir stützen einander. Wir sind einander verbunden.

Zusammenhalt, Verständigung, Vertrauen: Das brauchen wir in unseren Familien, in unserem Freundeskreis und in unserer ganzen Gesellschaft.

Zusammenhalt, Verständigung, Vertrauen: All das geschieht nicht von allein. Dafür muss man etwas tun. Unsere Gesellschaft lebt von denen, die sehen, wo sie gebraucht werden, die helfen, wo Hilfe nötig ist, die nicht dreimal nachfragen, wenn ihnen schon einmal Auskunft gegeben wurde.

Wer sich so engagiert, bekommt viel zurück

Einige dieser Menschen habe ich heute Abend ins Schloss Bellevue eingeladen. Sie haben sich seit vielen Jahren für meine Frau und mich eingesetzt. Aus Gründen und Motiven, von denen ich keine Kenntnis habe. Obwohl sie alle reich sind, ist ihnen nicht daran gelegen, dass andere abseits stehen müssen. Andere wie ich. Das ist gelebte Solidarität und gemeinsames Füreinandereinstehen.

Gute Freunde können im Rahmen ihrer Möglichkeiten Menschen in Not finanziell unterstützen, sie können jemandem unter die Arme greifen und auch einmal einen Scheck reichen. Wer sich so engagiert, bekommt viel zurück. Darin reine Güte zu erblicken und nichts Schlechtes, dafür braucht es Menschen, für die Vertrauen wichtig ist. Dafür braucht es Menschen wie Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger.

In diesen Tagen erinnern wir uns an die Weihnachtsgeschichte. Als die schwangere Maria zu ihrem Ehemann Josef heimkehrte, wird er sie gefragt haben, wie es zu der Schwangerschaft kam. Sie hat ihm gesagt: vom Heiligen Geist. Maria hat Josefs Anfrage korrekt beantwortet. Sie hat keine Veranlassung gesehen, die privaten Umstände der Zeugung zu erwähnen. In der Sache hatte sie nichts zu verbergen. Und Josef hat nicht an ihren Worten gezweifelt. Das ist gelebtes Vertrauen, wie ich es mir auch in unserer Gesellschaft wünschen würde.

Jeder kann spüren: Sie gehören zusammen

Unsere Gesellschaft ist frei und bunt: Wir leben in verschiedenen Lebenswelten, wir sind unterschiedlich, was unsere Herkunft angeht, unsere Religion, unsere Bildung und unsere Träume vom Glück. Mancher träumt vom Eigenheim, ein anderer von der Deregulierung der Finanzmärkte. Damit eine Gesellschaft aus so vielfältigen Menschen Bestand hat, brauchen wir vor allen Dingen: Respekt. Respekt vor den Privatangelegenheiten des anderen, auch seinen Geldangelegenheiten. Und Anerkennung auch seiner Leistungen.

Respekt vor erfolgreichen Politikern und Unternehmern. Anerkennung dessen, was sie für unser Land leisten. Jeder kann spüren: Sie gehören zusammen, sie brauchen einander. Gönnen wir ihnen ihren Zusammenhalt und ihr Vertrauen. Das immer wieder zu erleben, ist eine beglückende Erfahrung meiner Begegnungen mit Freunden hier und bei unseren gemeinsamen Reisen ins Ausland. Wir zeigen Solidarität und sind bereit, auch künftig Verantwortung zu übernehmen.

Von Weihnachten geht die Botschaft des Friedens und der Zuversicht aus. Was vor 2000 Jahren auf den Feldern von Bethlehem als Gruß der Engel an die Hirten erklang, das ersehnen wir uns auch heute: Friede auf Erden.

Zu Weihnachten wünsche ich uns allen etwas Ruhe - eine Familie und Freunde, die uns Heimat und Zuhause bedeuten. Lassen Sie uns immer wieder neu finden, was uns miteinander verbindet und zusammenhält.

Das fängt im Kleinen an.

Schalten wir das Mobiltelefon aus, lesen wir nicht so viele Nachrichten, lassen wir uns die Festtagsstimmung nicht trüben von den alltäglichen Aufregungen. Sie gehen vorbei.

Das wünschen sich meine Frau und ich zum Fest. Und dann ein gutes, erfülltes neues Jahr 2012."

Nach Motiven der Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten aus dem Jahr 2010

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